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8. Oktober 2011
B-Klasse neu buchstabiert

WIEN. Wo das Alphabet beginnt, hat Mercedes-Benz bislang nicht immer das Beste geboten. Vor allem das Interieur der bisherigen B-Klasse überzeugte nicht auf ganzer Linie. Dass Reklameleute diesen hoch gewachsenen Kompakt-Van zum Sports Tourer hochgeredet haben, hat den Gesamteindruck kaum verbessert. Heute soll alles anders werden. »Wir wollen in allen Disziplinen einen Klassenprimus auf die Räder stellen«, verkündet Daimler-Vorstandsmitglied Professor Thomas Weber.

Runde fünf Zentimeter flacher als sein Vorgänger ist der frische kompakte Mercedes ausgefallen. Das liegt nicht nur daran, dass er nun ohne durchgehend doppelten Boden fährt, sondern auch an einer insgesamt schnittigeren Gestaltung der Karosserie, die tatsächlich dem Wind besonders wenig Widerstand entgegensetzt.

Der Innenraum hat darunter keinesfalls gelitten: Das Kofferraumvolumen fällt mit 488 Litern hinter der geteilt umklappbaren Rücksitzbank und bis über 1 500 Litern maximal bei flachgelegten Fondsitzen üppig aus. Kopffreiheit und Fußraum sind sogar gewachsen.

Gegen Aufpreis gibt es das, was anderswo inklusive ist: Verschiebbare Fondsitze und ein variabler Kofferraumboden als »Easy Vario Plus«-System für 700 Euro. Stolz verkündet Mercedes, dass die Kniefreiheit im Fond mit 87 Millimetern sogar größer als in einer S-Klasse ausfällt. *BR* Mindestens 26 000 Euro verlangt der Sternkonzern für den Einstieg in die B-Klasse, rechtfertigt diesen Premium-Preis allerdings damit, ein »neues Zeitalter in der Kompaktklasse« einzuläuten. Das soll auch für die sichtbare und greifbare Güte des Gebotenen gelten.

Die Innenarchitekten beweisen ein glückliches Händchen. »Die Akzeptanz für bunte Farben hält sich beim Kunden in engen Grenzen«, verteidigt Designer Hans-Dieter Futschik die vorherrschenden gedeckten Töne. *BR* In der Mitte des Armaturenbretts thront ein Bildschirm, der fast wie ein iPad von Apple aussieht, aber keines ist, »weil sich ein iPad nicht für die Bedienung während der Fahrt eignet,« erklärt der verantwortliche Ingenieur Antonio Acuna. Nachteil: Dort läuft nur das, was Mercedes anbietet. Unter der Motorenhaube arbeitet eine neu entwickelte Triebswerksgeneration.

Motoren-Quartett

Das Motorenprogramm mit jeweils zwei Otto- und Dieselmotoren ist laut Mercedes mit Direkteinspritzung und Turboaufladung vorbildlich sparsam. Im Vergleich zur alten B-Klasse sollen die Verbrauchswerte um bis zu 21 Prozent günstiger ausfallen. Das lässt sich auf die Schnelle kaum prüfen, jedenfalls ist die Papierform der Triebwerke sehenswert. Aus den 1,6 Litern Hubraum seiner vier Zylinder holt der Benzin-Motor des B 180 genau 122 Pferdestärken (90 kW), während sein größerer Bruder B 200 mit 156 PS (115 kW) deutlich kräftiger ausfällt - angeblich ohne an der Tankstelle aufzufallen. Erstaunlicherweise gibt Mercedes für beide Otto-Motoren den gleichen kombinierten Treibstoffverbrauch von 5,9 Litern pro 100 Kilometer an. Die Selbstzünder geben sich noch sparsamer.

Die beiden Dieselvarianten B 180 CDI und B 200 CDI verfügen beide über einen 1,8-Liter-Motor mit Common-Rail-Direkteinspritzung in den Leistungsstufen 109 PS/80 kW oder 136 PS/100 kW und identischen Verbrauchversprechen von 4,4 Litern pro 100 Kilometern. Wer Diesel fahren möchte, ist ab knapp 28 000 Euro dabei. Bei der Kraftübertragung hat der Kunde die Wahl zwischen dem sehr fein schaltbaren serienmäßigen 6-Gang-Getriebe oder einem Sieben-Gang-Automaten mit Doppelkuppelung. Unterwegs macht die Motorfamilie einen angenehmen Gesamteindruck.

Schon der kleinste Benziner gibt den unauffälligen Diener seiner Herrschaften hinter dem Lenkrad. Ohne überschäumendes Temperament zu zeigen, ist ein B 180 stets zügig unterwegs. Niemals wird der Vierzylinder störend laut. Unfeine Vibrationen sind dem Ottomotor ebenso fremd.

Der komfortabel aber dennoch sportlich abgestimmte, kleine Mercedes gibt gerne auch mal den Dynamiker, woran seine angenehm direkte Lenkung ihren Anteil hat. Bei allen Modellen ist die Start-Stopp-Funktion serienmäßig mit an Bord.

Radar warnt

Die radargestützte Kollisionswarnung mit adaptiven Bremsassistenten, von Mercedes stolz »Collision Prevention Assist« genannt, ist ein beeindruckendes Stück Sicherheitstechnik. Das System kann einen zu geringen Abstand zu Vorausfahrenden bei Geschwindigkeiten zwischen 30 und 250 Stundenkilometern erkennen, und warnt bei einer drohenden Kollisionsgefahr sichtbar und hörbar. Bis zu einer Geschwindigkeit von Tempo 70 kann das System sogar vor stehenden Hindernissen in Fahrtrichtung Alarm schlagen. Nur aufs Bremspedal treten muss der Mensch noch selbst. »Sobald der Fahrer einen Bremswunsch absetzt, macht der Assistent den Rest - also bei Bedarf eine Vollbremsung«, erklärt Projektleiter Wolfgang Lauer. Und wieso bremst das Ding nicht gleich selbst? »Weil es sich um eine Einsensor-Lösung handelt«, verrät Lauer. Ein Sensor könnte sich irren, deshalb muss der Mensch entscheiden. Die autonom bremsende Distronic Plus aus den größeren Mercedes hat deshalb drei Sensoren. In der Kompaktklasse ist der Collision Prevention Assist dennoch eine Weltneuheit, wogegen die übrige Serienausstattung kaum überraschend ausfällt.

Lange Preisliste

An Bord des Viertürers ist das, was die Kundschaft bei diesen Premium-Preisen erwarten darf: Klimaanlage, Fensterheber, Zentralverriegelung, eine Stereoanlage mit Radio und sechs Lautsprechern, Airbags rundum sowie ein weiterer hilfreicher Geist. Der »Attention Assist« kann über das Lenkverhalten typische Anzeichen von Müdigkeit erkennen, soll vor drohendem Sekundenschlaf warnen. Alles weitere gibt's gegen Aufpreis. Die Wunschliste ist sehr lang und gestattet es, den Wagenwert mühelos auf 40 000 Euro zu treiben. Selbst Details kosten beim Daimler, so etwa ein Aschenbecher 50 Euro oder runde Nebelscheinwerfer 220 Euro. Andererseits erfüllt der Sternwagen auch ausgefallene Bedürfnisse.

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