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29. März 2012
Facebook zeigt vor Gericht sein wahres Gesicht

REUTLINGEN. Das Urteil gegen den Angeklagten ist jetzt gesprochen, aber der Fall Facebook für die Justiz damit nicht gegessen. Wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl erhält der 20jährige eine Jugendstrafe. Doch an die Account-Daten des Angeklagten im weltweit größten sozialen Netzwerk sind während des Verfahrens weder Jugendrichter Sierk Hamann noch der jetzt verurteilte Mann selbst herangekommen. Dafür kassiert Facebook vom Richter harte Kritik, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.

"Was Facebook veranstaltet, ist skurril und beinahe schon albern", kommentiert Sierk Hamann den Umgang diverser Stellen des sozialen Netzwerkes mit dem Reutlinger Amtsgericht. Dann erinnert er nochmals an die Geschichte seines letztlich vergeblichen Versuches an einen Teil der Daten aus dem Account des Angeklagten heranzukommen - zur Belastung oder zur Entlastung des Angeklagten.

Facebook Deutschland habe mitgeteilt, keiner ihrer Mitarbeiter habe Zugriff darauf - und an Facebook Irland verwiesen. Die dortige Justiz sei zwar sehr hilfreich gewesen, konnte dem Reutlinger Richter aber auch nicht wirklich helfen. Denn Facebook Irland verweise wiederum auf die Daten in den USA. Als Sierk Hamann dann zum heutigen Verhandlungstermin die Chef-Lobbyistin Erika Mann als Zeugin geladen hat, sind weitere interessante Briefe aus dem Hause Facebook bei ihm gelandet.

"Facebook Irland sieht sich durch amerikanisches Datenschutzrecht an der Herausgabe der Daten gehindert. Hört, hört", verliest ein mäßig amüsierter Hamman das Schreiben des Rechtsanwaltes, der die Lobbyistin vertritt. Deshalb wurde die Zeugin Erika Mann wieder abgeladen. Unter dem Strich bleibt: Weder der Angeklagte noch das Amtgericht halten nach vielen Wochen dieses Mosaiksteinchen im Indizien-Prozess in den Händen. Hamann stellt in der öffentlichen Verhandlung die Frage, ob solch ein Verhalten nicht möglicherweise auch "als Strafvereitelung" gewertet werden könnte, "dann wäre Schluß mit lustig". Letztlich hindert die Nebensache Facebook das Gericht aber nicht daran, ein eindeutiges Urteil zu fällen.

"Sie haben eine Straftat begangen", wendet sich Sierk Hamann bei der Urteilverkündung an einen seine Unschuld beteuernden Angeklagten, der in diesem Moment in die Richtung des mutmaßlichen Einbrechers blickt, der im Zuschauerraum sitzt. Das Gericht habe keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte dem Einbrecher - wer auch immer es wirklich war - dabei geholfen hat vor zwei Jahren in das Haus einer Familie einzusteigen. "Sie haben das Garagenfenster geöffnet, und die Tochter des Hauses weggelockt", sagt Hamann. Die heutige Zeugenaussage der jungen Frau sei das letzte Puzzlesteinchen einer langen Kette von Indizien. Die Strafe dafür ist laut Hamann als "Schlag zwischen die Hörner" zu verstehen.

Vier Tage lang Probewohnen im Knast, sprich Kurz-Arrest, sind der erste Teil. Daneben muss der Verurteilte 700 Euro an die geschädigte Familie zahlen und trägt die Kosten des Verfahrens von rund 200 Euro. Schließlich erteilt ihm das Jugendgericht ein zeitlich beschränktes Kontaktverbot zu seinem Kumpel, dem mutmaßlichen Einbrecher. Die beiden laufen nach dem Ende des Prozesses nebeneinander die Gartenstraße hoch. (GEA)

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