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14. Januar 2015

Wer heute unsere Freiheit bedroht

PFULLINGEN. Es ist erschreckend, was Yvonne Hofstetter erzählt. Die Münchner Buchautorin warnt vor der Bedrohung unserer Freiheit durch intelligente Maschinen und amerikanische Datensammler wie Geheimdienste, Google, Facebook & Co. in einem Ausmaß, das fassungslos macht. Vor allem, weil immer noch viele freiwillig mitmachen. Es werde allerhöchste Zeit sich zu wehren.

Denn die Gefahr ist wie ein geruchloses Gas: Unsichtbar, aber überall präsent, wie die Verfasserin des Buches »Sie wissen alles – Wie intelligente Maschinen in unser Leben eindringen« auf Einladung der VHS Pfullingen Schritt für Schritt erklärt. Was Big Data ist, und welche Methoden dahinter stecken, wird schnell klar.

Big Data ist ein fast schon teuflisches Trio: Erst werden aus vielen Quellen Informationen gesammelt, dann analysiert sowie daraus neue Informationen errechnet. Schließlich werden die Ergebnisse kontrolliert und daraus entsprechende Handlungen abgeleitet. Und wo kommen die riesigen Datenmengen her, fragt Hofstetter in die Runde, um die Antwort gleich mitzuliefern: »Die erzeugen wir selbst«. Entweder freiwillig, indem wir mit Smartphones unser digitales Leben Konzernen wie Google ausliefern, unbemerkt und ungefragt beim Surfen im Internet oder über vernetzte Hausgeräte sowie vieles mehr. Der Datenschatten jedes Einzelnen wird immer länger und die Mittel, um aus staatlicher Neugierde oder wirtschaftlichen Interessen Missbrauch mit dem Schatten zu betreiben, werden immer ausgefeilter.

Irren ist megateuer

»Hinter Big Data steht ein Universum an künstlicher Intelligenz«, erklärt die Münchner Expertin. Sie muss es wissen, denn ihr Unternehmen beschäftigt sich genau mit diesen Technologien. Künstliche Intelligenz in Form von lernenden Maschinen, die etwa an der New Yorker Börse arbeiten. »80 Prozent des US-Börsenhandels gehen von Maschine zu Maschine. Ganz schnell, weswegen das Hochfrequenzhandel genannt wird«, sagt Hofstetter. Ganz schnell läuft dabei auch etwas schief, denn die Programme der Maschinen haben – wie jede Software Fehler – nur ist irren dann nicht menschlich, sondern megateuer. Millionenwerte werden in Sekundenbruchteilen vernichtet. Ebenso risikoreich sei die massenhafte automatische und nur vermeintlich intelligente Analyse von Daten aller Bürger.

»Banken analysieren Familienverhältnisse, Freundeskreise, Nachbarschaften, Berufe, um zu klären: Bekommst Du einen Kredit«, nennt Hofstetter eine Möglichkeit für die sogenannte Netzwerkanalyse – »das ist übrigens genau das, was auch die amerikanische National Security Agency (NSA) macht«.

Doch was ist eigentlich verwerflich daran mit Daten sein Süppchen zu kochen? »Das Problem ist, dass diese Daten nicht zu dem Zweck verwendet werden, zu dem Sie sie herausgegeben haben«, erklärt Hofstetter dem Publikum. Logisch, wer etwa auf Facebook irgendetwas vermeintlich Privates freiwillig poste, denke nicht mal im Alptraum daran, dass dies irgendwann mal zur Bewertung seiner Bonität herangezogen wird. Schlimmer noch, »die Konzerne löschen nichts. Das ist völlig aus dem Ruder gelaufen«, sagt Hofstetter. Neuerdings gehe die Tendenz bei amerikanischen Giganten zum »nicht-kooperativen Datensammeln«, etwa über vernetzte Gerätschaften. Nicht-kooperativ deswegen, weil niemand gefragt, geschweige denn etwas darüber gesagt wird. Das Fazit der Buchautorin sind drei Forderungen an ein neues Datenschutzrecht.

Recht auf negative Freiheit

An erster Stelle müsse das Prinzip »Recht auf Gegenleistung für Daten stehen«, betont Hofstetter. Man stelle sich vor, Google müsse fürs Datensammeln bezahlen. Dazu passend sei ein »Recht auf Kontrolle inklusive dem Recht auf Vergessen« wichtig, damit jeder bestimmen könne, was mit Informationen über ihn passiert. Bedeutsam erscheint der Expertin schließlich etwas, das auf den ersten Blick unbedeutend erscheint: »Das Recht auf negative Freiheit«. Gemeint ist damit ein Anspruch darauf, keine Nachteile dadurch zu erfahren, wenn man sich der digitalen Welt konsequent verweigert.

Wer heute versucht, ein anständiges Mobiltelefon zu kaufen, das kein Smartphone mit ständigem Internetzugang ist, versteht sofort, wieso dies ebenfalls eine zentrale Bedeutung hat. Yvonne Hofstetter hat jedenfalls kein Smartphone mehr in der Tasche, sondern nur ein uraltes Handy.

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